Wohlbefinden in der Arbeitswelt – Das Thema von Morgen
Büro-Life-Balance | Ausgabe #1

Körper, Geist und Raum.
Wenn Unternehmen sich mit dem Angriff auf das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen, ist es nicht weiter überraschend, dass sie ihre Aufmerksamkeit zunächst auf die körperliche Gesundheit und die Ergonomie richten. Zusätzlich zur Fokussierung auf Fettleibigkeit, Raucherentwöhnung oder Bewegung beschäftigen sich viele Arbeitgeber zur Vermeidung von Gesundheitsschäden vor allem mit der ergonomischen Gestaltung des Arbeitsplatzes. Studien von Marc T. Hamilton (2007), Pedersen (2009) und Stephens (2010) brachten völlig neue Erkenntnisse über die Beziehung zwischen längerfristigem Bewegungsmangel und weit verbreiteten Gesundheitsproblemen wie etwa Gewichtszunahme, Diabetes oder das metabolische Syndrom. Längeres statisches Sitzen gilt heute als eine besondere Art der körperlichen Anstrengung – es stört Stoffwechselfunktionen und schwächt die Abwehrfunktion des Körpers. Verbringt man immer wieder den ganzen Tag im Sitzen, können diese negativen Auswirkungen selbst mit Workouts im Fitnessstudio nicht wieder wettgemacht werden.
Inzwischen verleiten technische Geräte die Menschen dazu, noch länger zu sitzen – in Stühlen, die entwickelt wurden, lange bevor Tablets und andere Handhelds die Büros veränderten. Daraus entstehen völlig neue Sitzhaltungen, von denen einige auch zu gesundheitlichen Problemen führen. Kevin Butler, Ergonom bei Steelcase, macht deutlich, wie wichtig Arbeitsplätze sind, die eine Vielzahl von Arbeitsstilen unterstützen – mit Arbeitsplatzkonfigurationen, bei denen die Menschen selbst darüber entscheiden können, ob sie sitzen, stehen, sich bewegen oder auch herumlümmeln wollen. Butler warnt jedoch davor, dass nicht alle Körperhaltungen gleich gut sind. „Manche Haltungen sind grundsätzlich schlecht für den Körper und sollten daher nicht gefördert werden“, erklärt Butler. „Ich habe Arbeitsplätze gesehen, die Spaß machen, kreativ sind und über eine tolle Atmosphäre verfügen – die ergonomisch aber oft völlig ungeeignet sind. Dieser Ansatz ist weder für die einzelnen Personen noch für das Unternehmen gut.“ Intelligente Arbeitsplatzkonfigurationen eröffnen den Menschen nicht nur vielfältige Wahlmöglichkeiten, sondern zugleich auch ergonomische Unterstützung. Für Butler liegt das Ziel immer in einer Balance, und nicht etwa in einem Kompromiss aus Entweder/Oder.
Angesichts der zunehmend komplexen Probleme erkennen immer mehr Unternehmen, wie facettenreich das Thema Wohlbefinden ist, aber auch, wie Körper und Geist miteinander verknüpft sind. Aktuell untersuchen Wissenschaftler die Wechselbeziehungen unserer körperlichen und geistigen Verfassung, und wie unsere Sinne das Bewusstsein beeinflussen. Dabei fanden sie heraus, dass unser Tastsinn einen Einfluss darauf hat, wie wir eigentlich zusammenhanglose zwischenmenschliche Interaktionen wahrnehmen. Lärm ist ein anderer Faktor, der unser kognitives Wohlbefinden signifikant beeinflusst. Nach Ansicht von Julian Treasure, Chairman des britischen Beratungsunternehmens The Sound Agency, kann Lärm zu unerwünschten physiologischen, psychologischen und Verhaltenseffekten führen. „Hintergrundgeräusche am Arbeitsplatz lassen das Stresshormonniveau der Mitarbeiter ansteigen, während sie das Kurzzeitgedächtnis und das Leseverständnis schwächen und außerdem die Bereitschaft verringern, sich mit anderen auszutauschen.“ Störgeräusche am Arbeitsplatz können von allen möglichen Quellen kommen: Klimaanlagen, nervigen Klingeltönen, Verkehr, Baustellen, Sound Masking mit „rosa Rauschen“, aber natürlich auch von den Menschen selbst. „Es gibt unzählige kognitive Forschungen, die belegen, dass es in lauten Büros oft die Gespräche der Kollegen sind, die den am meisten störenden Lärm machen“, sagt Treasure. Laute Umgebungen neigen dazu, mit der Zeit immer schlechter zu werden, weil die Menschen zunehmend lauter sprechen, wenn die Lautstärke in ihrem Umfeld zunimmt (Lombard-Effekt). Als Folge zu großer Lärmbelastung am Arbeitsplatz kann es zu Beeinträchtigungen von Gesundheit und Produktivität kommen – nach einer von Treasure zitierten Studie sind Produktivitätseinbußen von bis zu 66 Prozent (!) möglich. Umgekehrt kann aber auch der „Lärm der Stille“ zu viel des Guten sein. „Räume, in denen man Stecknadeln fallen hört, werden als eher einschüchternd empfunden, weil man hier jeden noch so leisen Ton registriert“, so Treasure.
Die Lösung liegt für Treasure in vielfältigen Arbeitsumgebungen, die in Bezug auf die Geräuschkulisse jeweils mit dem richtigen Bewusstsein für die Aufgaben und die dort arbeitenden Menschen zu planen sind. Räume sollten nicht nur schön aussehen, sondern ein Erlebnis für alle Sinne bieten. In einer Zeit, in der kognitive Überforderungen alltäglich sind, untersuchen Forscher, wie kognitive Prozesse und die menschlichen Interaktionen mit der Umwelt zusammenhängen. Seine Arbeiten zeigen, um wie viel besser es für die Menschen ist, wenn sie kognitive Prozesse auf die Arbeitsumgebung „abladen“ können, weil sie die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit und Gedächtniskapazitäten erreicht haben. Im einfachsten Fall erleichtern Arbeitsumgebungen mit Whiteboards das Abladen von Informationen, indem sie den Menschen einen Ort bieten, an dem sie ihre Arbeit sichtbar machen können. Wer die Möglichkeit hat, Funktionen auf die Arbeitsumgebung abzuladen, hat den Kopf wieder frei für neue komplexe Aufgaben. (Quelle: 360° Magazin)
Engagement als Treiber von Wohlbefinden.
Eine globale Gallup-Studie zum Thema Wohlbefinden erforschte eine wesentliche Verbindung zwischen Körper und Geist: das Engagement. Nicht motiviert zu sein, ist demnach einer der wichtigsten Indikatoren für aufkommende Depressionen – ebenso wie der Anstieg der Cholesterin- und Triglyzeridspiegel. Für Unternehmen vielleicht noch viel alarmierender ist die Erkenntnis, dass weltweit mehr als zwei Drittel aller Angestellten einfach nur auf das Ende des Arbeitstags warten und immer fröhlicher werden je näher der Feierabend rückt. Unmotivierte Mitarbeiter sind dabei nicht nur weniger produktiv, sie verursachen den Arbeitgebern durch die stressbedingten körperlichen und seelischen Beschwerden auch weitaus höhere Kosten. Alltägliche Stressfaktoren können negative Emotionen hervorrufen, die die Menschen in den Zustand permanenter Anspannung bzw. einer Fight-or-flight-Reaktion versetzen. Letztlich führen Cortisol und andere während der Stressreaktion ausgeschüttete Hormone dazu, dass sich der Zustand von Körper und Geist zusehends verschlechtert.
„Westliche Kulturen betrachten den Körper, den Geist und den Raum traditionell getrennt voneinander. Inzwischen hat die Wissenschaft aber herausgefunden, was östliche Kulturkreise längst wussten, nämlich dass sie alle eng miteinander verknüpft sind“, sagt Arantes. „Das bedeutet, dass das Wohlbefinden weit mehr ist als nur Wellness, wo vor allem die körperliche Gesundheit im Mittelpunkt steht. Wohlbefinden ist aber auch nicht mit Glück oder Freude gleichzusetzen, die als vorübergehende Emotionen kommen und gehen. Unsere Forschungen haben vielmehr ergeben, dass Wohlbefinden vor allem bedeutet, einen körperlich und seelisch gesunden Zustand in einem unterstützenden materiellen und sozialen Umfeld aufrechtzuerhalten.“ (Quelle: 360° Magazin)
In unserer neuen Wissensreihe „Büro-Life-Balance“ wollen wir den Leser auf die zukünftigen Trends in der Arbeitswelt aufmerksam machen und einen Einblick in die Forschung rund um das Thema „Arbeiten“ geben.